Polizeiexperten
aus ganz Europa zeigen enormes Interesse
an privater
Wiener Sicherheitsinitiative
Vor einigen Tagen konnte
"proNachbar" wieder einmal einen internationalen Gedankenaustausch
mit anderen lokalen Sicherheitsinitiativen und Polizeien aus EU-Staaten führen.
Wir waren zu Gast bei der dritten SELPE-Tagung ("Sharing Experiences in
Local Policing in Europe"), die nach Neapel (I) und Valencia (SP) diesmal
in der bulgarischen Hauptstadt Sofia stattfand. Von 30. September bis 2.
Oktober 2013 versammelten sich dort rund 60 Experten aus der Exekutive und von
privaten Sicherheitsinitiativen, um Projekte der kommunalen Kriminalprävention
vorzustellen und zu diskutieren. Für "proNachbar" waren Obmann Karl
Brunnbauer und Klaus Stöger, der sich seit einigen Wochen verstärkt der
Öffentlichkeitsarbeit unseres Vereins widmet, in Bulgarien. Die beiden waren
die einzigen Vertreter eines deutschsprachigen Landes bei dieser Tagung.
Insgesamt nahmen Experten aus 15 EU-Staaten teil.
Das von der EU geförderte
SELPE-Projekt widmet sich dem "Community Policing". Dieser Begriff
lässt sich nur bedingt ins Deutsche übersetzen. Man könnte ihn jedoch mit
"bürgernaher Polizeiarbeit" umschreiben. Es geht um Kriminalprävention
und polizeiliche "Sozialarbeit" in einem zumeist städtischen Umfeld.
Diese herausfordernde zeit- und personalintensive Tätigkeit bewegt sich im
Spannungsfeld von Eigentumskriminalität, Streitfällen unter Nachbarn (Lärm,
Hunde, Müll), sozialen Schwierigkeiten in einem Stadtviertel (hohe
Arbeitslosigkeit, hoher Ausländeranteil) bis hin zu strukturellen Problemen (zu
wenig Grünflächen, Verkehrsprobleme, fehlende Nahversorgung, schlechter
baulicher Zustand der Wohnungen). Polizisten, die in diesem Tätigkeitsbereich
arbeiten, benötigen hohe soziale Kompetenz. Viele haben eine zusätzliche
Ausbildung als Mediator.
Als einer der ersten Redner der
Konferenz - nach der Eröffnung durch den stellvertretenden bulgarischen
Innenminister Plamen Angelov und einem wissenschaftlichen Vortrag der Londoner
Kriminologin Tiggey May - war bereits "proNachbar"-Gründer Karl
Brunnbauer am Wort. Er gab in einer 30-minütigen Präsentation einen Überblick
über die Aktivitäten unseres Vereins. Danach bot sich die Gelegenheit für spezielle
Fragen zum Wiener Nachbarschaftsprojekt. Hier zeigten sich besonders Teilnehmer
aus Großbritannien, Spanien, Portugal und Italien sehr interessiert. In zwei
parallel laufenden Sessions folgte danach die Vorstellung von knapp 15
"Community Policing"-Projekten aus anderen EU-Ländern.
Ein gemeinsames Abendessen aller
Teilnehmer am Abend des ersten Tages bot Gelegenheit für Gespräche und
Diskussionen im kleinen Kreis: Für die beiden "proNachbar"-Teilnehmer
eine hervorragende Möglichkeit über den Tellerrand zu blicken und in
persönlichen Gesprächen ähnliche Sicherheitsprojekte - unter anderem aus
Finnland, Estland und Moldawien - kennenzulernen. Auch am folgenden Tag
präsentierten knapp zwölf weitere Teilnehmer ihre Programme. Die Konferenz
endete am Nachmittag des 2. Oktober.
Im folgenden stellen wir einige
interessante Projekte der SELPE-Tagung von Sofia kurz vor:
- Ion Braga aus Estland
berichtete über die Erfolge der "Estonia Neighbourhood Watch
Association" und deren Expansion nach Moldawien.
- Der Polizist Jouni Perttula
erläuterte ein "proNachbar"-ähnliches Projekt aus dem Südwesten
Finnlands.
-Inspektor Richard Langton von
der West Mercia Police in Wellington (West Midlands/Großbritannien) berichtete
in seinem Vortrag vom Engagement seiner Kollegen, Kinder von Einwanderern zu
betreuen sowie über die "Safer Neighbourhood Teams" der Polizei von
Wellington.
- Ildiko Nagy, Beamtin für
Kriminalprävention im Polizeipräsidium des Komitats Csongrád (Ungarn) sprach
über die Initiative der Polizei für mehr Sicherheit und sozialen Zusammenhalt
auf einschichtig gelegenen Höfen ("Tanyas") in der südungarischen
Tiefebene.
- Iliyan Iliev von der Polizei
der bulgarischen Großstadt Stara Zagora erzählte von den Erfolgen seiner
Behörde, Kinder und Jugendliche der Roma-Volksgruppe besser zu integrieren.
- Antonio Berlanga von der
Polizei der spanischen Hafen-Metropole Valencia sprach über die bereits seit
1992 bestehenden Erfahrungen des "Community Policing" in der 800.000
Einwohner-Stadt.
- Jason Booth von der South Yorkshire
Police in Woodhouse (Großbritannien) berichtete, wie Polizei und Bürger gemeinsam das Problem des
exzessiven öffentlichen Alkoholkonsums auf dem Marktplatz der englischen
Kleinstadt lösen konnten.
- Monica Diniz von der
Stadtpolizei Lissabon (Portugal) erzählte über Erfolge und Probleme von
kommunaler Polizeiarbeit in der portugiesischen Hauptstadt.
- Prof. Christina Zarafonitou
(Head of the Section of Criminology, Panteion University of Social and
Political Sciences - Greece) hat zu dem Thema „Local policing as a form of
participatory criminal policy? The case of Greece" einen sehr interessanten
Vortrag gehalten.
Eine genauere Beschreibung der
hier angeführten Initiativen wird in loser Reihenfolge in den nächsten Tagen
und Wochen auf unserer Homepage erfolgen.
Fazit von Karl Brunnbauer:
"Die vielen neuen Kontakte und positiven Erfahrungen der anderen Länder,
haben selbstverständlich Einfluss auf unsere weitere Arbeit im Bereich der
Sicherheit in der Gemeinde. „Community Policing" ist der Weg in die Zukunft,
dies hat sich wieder bestätigt. Besonders freut mich, dass unser Projekt auch
für Spanien interessant ist. Darüber hat Herr Intendente General Jose Vicente Herrera von der Policia Local
de Valencia in seinem Vortrag „From
Austria to Spain" berichtet".
Fazit von Klaus Stöger:
"Besonders lehrreich war für mich zu sehen, wie gut Polizei und Bürger
zusammenarbeiten können, wenn die Voraussetzungen und das gegenseitige
Verständnis dafür stimmen. Beeindruckt haben mich vor allem die Projekte der
Polizei in Valencia. Dort gehört Community Policing schon seit 1992 zur
täglichen Arbeit der Exekutive. Dementsprechend groß sind die Erfolge. Es wäre
nun höchst an der Zeit, dass sich auch die Wiener Polizei für derartige
Beispiele, die in Großstädten ähnlicher Größe seit Jahren funktionieren, zu
interessieren beginnt."
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